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Gangleris Welt- Teil 2

Dies ist der zweite Teil von „Gangleris Welt“. Klicke hier um zum ersten Teil zu gelangen.

Nach all den Strapazen übermannte mich die Müdigkeit. Obwohl ich dagegen anzugehen versuchte, glitt ich immer mehr in die tröstlich warme -und in Gangleris Heimat all zu oft auch tödliche- Welt des Schlafes hinüber. Je tiefer ich glitt, desto deutlicher vernahm ich die Stimmen:
„Gib mir sein Herz, dann kannst du mit seiner Seele machen was du willst!“, forderte die Gräfin von Laufey barsch.
„Und was soll ich mit seiner Seele? Ich will sein Herz, weil es ist noch nicht zu alt und schlägt ganz kräftig. Das kann ich in meinem Kessel gut brauchen. Nimm doch du seine Seele!“, forderte Gangleri die Gräfin nun seinerseits auf.
„Ich will sein Herz! Ich weiß gar nicht mehr, wann ich zum letzten mal meine Zähne in so ein pulsierendes Stück frischen Blutes getrieben habe. Seine jämmerliche Seele eignet sich bestenfalls als Spielzeug für meine Dämonen. Nimm doch du sie und tausche sie bei den Zwergen für ein paar gute Waffen. Die brauchst du alter Kriegstreiber doch sowieso immer wieder!“
Wäre ich ganz wach gewesen- Angst und Bang wäre mir bei diesen Worten geworden. Aber wie das in der Welt zwischen Wachsein und Schlaf nun mal so ist, fragte ich mich nur, was zum Henker denn mit meiner Seele nicht stimmen sollte, wenn doch  keiner der beiden sie haben wollte.
„Lass uns doch eine Wette machen.“, schlug Gangleri nun vor.
„Welche da wäre?“, erkundigte sich Gräfin von Laufey schnippisch.
„Wir schicken ihn in den Bruch vom alten Krampenbein.“, erklärte Gangleri. „Wenn er die Aufgabe des Krampenbein lösen kann, bekomme ich sowohl seine Seele als auch sein Herz. Wenn nicht, dann bekommst du beides.“
Da lachte die alte Gräfin zufrieden auf und stimmte der Wette zu. Denn immerhin sind ein Herz und eine Seele zusammen immer besser als nur eines davon. Außerdem war der alte Krampenbein für seine bösartigen Aufgaben berühmt. Und bevor ich vollends einschlafen konnte, weckte mich ein kalter Wind. Die Türe öffnete sich und der Wind blies mich mit brutal Wucht nach draußen. Was sind wir in Gangleris Welt denn auch anderes als Blätter im Wind?

Kaum war ich durch die Tür, hörte der Wind auch schon auf und ich fand mich in einem riesigen Steinbruch wieder. Bei Gangleri führen alle Türen überall hin, so ist das nun einmal.
Allerhand  schweres Gerät stand in dem Steinbruch herum, aber nicht das übliche laute Treiben herrschte dort, sondern es war totenstill und menschenleer.
Dachte ich zumindest, denn im nächsten Moment trat mir jemand kräftig in den Hintern und bewies mir so, dass ich doch nicht ganz alleine hier war. Ich fuhr herum, und dort wo eigentlich eine Türe hätte sein sollen, stand ein vierschrötiger und allem Anschein nach schlecht gelaunter, älterer Mann vor mir. Mir fiel auf wie staubbedeckt seine lederne Kleidung doch war, während er mich abschätzend musterte. „Ah, du bist also der verrückte Wanderer der versucht hat bei der Gräfin von Laufey einzubrechen? Wie heißt du denn?“
„Ich bin nicht eingebrochen!“, dementierte ich, vermied es jedoch meinen Namen zu sagen. Es ist in vielen Welten besser seinen Namen nicht zu nennen, und in einer Welt wo zwei Mächtige um dein Herz und deine Seele streiten, tut man ganz besonders gut daran diesbezüglich zu schweigen.
„Tja, wie dem auch sei.“, stellte der Mann sich jetzt selbst vor, „Wie du dir wohl schon denken kannst, lautet mein Name Krampenbein. Dies ist mein Steinbruch.“ Er deutete mit der Hand hinter seine Schulter, wo sich eine riesige Grube erstreckte. „Hübsch? Nicht wahr?“

Ich lies meinen Blick über den Bruch schweifen, der mir wie eine klaffende Wunde im Körper der Welt erschien, verbiss mir aber jeden Kommentar. Krampenfuß schien ein wenig enttäuscht über meine fehlende Begeisterung zu sein, fuhr aber unbeeindruckt fort: „Es ist ein schöner Steinbruch. Nur der viele Staub und die kleinen losen Steine stören ein wenig. Oder was sagst du?“
Ich enthielt mich erneut einer Antwort, denn schließlich heißt es, man solle Verrückten nicht widersprechen. Den alten Krampenfuß schien meine fehlende Beteiligung an dem Gespräch aber ohnehin nicht zu kümmern, denn er redete einfach unbeirrt weiter:“Deine Aufgabe wir es nun also sein, den ganzen Staub und die kleinen losen Steine wegzukehren.“ Er deutete auf einen Besen der an einem Holzstoß in der Nähe lehnte.  Schaffst du es, bevor du alt wirst und stirbst, bekommt dich Gangleri. Schaffst du es nicht, dann stirbst du und die Gräfin bekommt dich. Und jetzt marsch, an die Arbeit!“ Mit diesem Worten versetzte er mir eine harten Stoß in den Rücken und beförderte mich so Richtung Besen.

Ich stolperte, konnte einen Sturz aber mit Müh und Not gerade noch verhindern. Dann ergriff ich den Besen und drehte mich um. Krampenfuß schien es egal zu sein ob ich meiner Aufgabe nachkam oder nicht, denn ich sah nur mehr seinen breiten Rücken hinter einem Schotterhügel verschwinden.
Ach, in welche Misere hatte ich mich da nur gebracht! All den Staub und die kleinen Steine eines so riesigen Steinbruchs wegzukehren war ja natürlich ein Ding der Unmöglichkeit. Selbst wenn man die nötige Zeit und Kraft dazu hätte, so würde man am Ende doch nur wieder Staub und kleines Gestein aus den Rändern kehren, und der Bruch würde wachsen und wachsen- Bis nichts mehr da war und die Welt nur noch aus Staub und Steinen bestand, die man dann hin und her kehren konnte bis ans Ende aller Tage! Nein, ich sah keinen Ausweg mehr. Aber weil es mir besser erschien, dem Gangleri zu gefallen anstatt der Gräfin von Laufey, begann ich doch zu kehren, und sei es nur, damit die Zeit verging. Wenn ich müde wurde, ging ich an den Waldrand um auszuruhen. Wenn ich wieder erwachte, setzte ich meine Arbeit fort. Ganz am Anfang versuchte ich einmal durch den Wald aus dem Steinbruch zu fliehen, aber so schreckliche Dinge lauerten dort, dass ich sie nicht einmal beschreiben mag. So ging es also Tag um Tage, Woche um Wochen, während der Himmel stets wolkenverhangen grau und die Luft schwül wie vor einem Gewitter blieb. Bis ich eines Morgens von Rabenlärm geweckt wurde und einen Schwarm der Schwarzgefiederten über mir  erblickte.

„Euch geht es gut.“, dachte ich bei mir. „Ihr könnt fliegen wohin ihr wollt.“ Ich überlegte auch, einen Rabenzauber zu versuchen, um mir von den Tieren ein wenig Essen und Wasser bringen zu lassen. Denn obwohl man in Gangleris Welt weder essen noch trinken muss um zu leben,  verspürt man hier als Mensch dennoch Hunger und Durst. Da aber in Gangleris Welt nun einmal alles Gangleri gehört, folgen die Raben nur ihm, und allen anderen nur wenn er es erlaubt. Ich zauderte, beschloss dann aber, es trotzdem  zu versuchen. Was hatte ich denn schon zu verlieren?

Aber noch bevor ich den Zauber aussprechen konnte, stürzte einer der Vögel vom Himmel herab auf mich zu. Er wurde größer und größer, bis mich  im nächsten Augenblick zwei riesige Krallen packten und in die Höhe rissen. Ich erhaschte noch einen kurzen Blick auf den Steinbruch, dann rasten wir auch schon über bewaldete Hügel und Täler. Es erschienen mir nicht mehr als drei oder vier Flügelschläge gewesen zu sein, dann hatten wir diesen ewig wolkenverhangenen Teil der Welt hinter uns gelassen. Der Rabe stürzte erneut hinab und setzte mich unsanft aber sicher auf einen kleinen Fels inmitten eines brausenden Flusses ab.

„Rühr dich nicht von der Stelle!“, krächzte der Rabe, der nun wieder in seiner normalen Größe über meinen Kopf kreiste. „Gangleri will dich treffen und dir einen Handel vorschlagen. Er wird jeden Moment hier auftauchen.“
Damit flatterte der Rabe davon und lies mich im lauten tosen und rauschen des Wassers zurück.

Fortsetzung denkbar, mit märzmärchigen Grüssen, Manfred Herrmann.

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