Tutorial-Available light, Licht und Schatten, Alltagsbilder
Available Light-Fotografie bedeutet, ausschließlich mit dem vorhandenen Licht zu arbeiten. Dieses Tutorial möchte dir ein bisschen näher bringen, wie du dabei auch in Alltagssituationen zu spannenden Bildern kommst, die sich von den üblichen Familienfeier-Knipsbildern grundlegend unterscheiden.
Nämlich indem du -weil ja available light- natürlich den Blitz weglässt und auf Licht und Schatten, sowie natürlich den Bildaufbau achtest.
Zunächst einmal zwei Beispielbilder die beide das selbe Motiv zeigen. Die Lichtsituation kam durch tiefstehende Sonne, die durch zwei Fenster und eine Balkontür schien zustande, wobei bei einem Fenster die Rollo zugezogen war.
Auf diese Weise kam es zu dem Lichtfenster auf der Wand und den Profilschatten darin, sowie der hart angeleuchteten Gesichtshälfte der Person rechts im Bild.
Der Blick des Betrachters fällt zuerst auf den Schatten und auf die angestrahlte Gesichtshälfte. Erst danach entdeckt er die angeschnittene Person in der Ecke links, auf welche die obere Ecke des Lichtfensters quasi wie ein Pfeil deutet.
Die Dinge am Tisch verraten dem Betrachter, dass es sich um ein Kaffeekränzchen oder ähnliches handeln muss. Er weiß aber nicht, ob (außer dem Fotografen) noch andere Personen im Raum sind. Der Gesichtsausdruck der Person rechts ist ebenfalls nicht klar zu deuten. Sie sieht zur Person links, während diese weg sieht.
Widmet die Person links ihre Aufmerksamkeit einer weiteren Person im Raum, oder handelt es sich um einen Augenblick in einem Gespräch? – Der Betrachter weiß es nicht und kann, bzw. muss seiner Phantasie freien Lauf lassen.
Im zweiten Bild rückt die Person rechts etwas weiter ins Bildfenster. Sie hat den Mund leicht geöffnet, aber es bleibt der Phantasie des Betrachters überlassen, ob sie spricht. Die Körperhaltung ist ebenfalls unklar. Steht die Person auf oder wendet sie sich der Person links zu? Die Körperhaltung deutet etwas mehr auf ersteres hin, während der Schatten zweiteres suggeriert. Und hört die Person links mit halben Ohr zu, oder nimmt sie von der Person rechts gar keine Notiz? Es bleibt ungeklärt.
Mit dem nächsten Bild möchte ich deine Aufmerksamkeit auf den Bildaufbau richten. Hauptmotiv ist hier natürlich die Katze, die aber für ein Hauptmotiv relativ wenig Raum einnimmt. Die bekannte und sehr oft auch sehr richtige Fotografenweisheit „Nah ran ans Motiv“ ist in diesem Fall außer Kraft gesetzt. Hätte ich mich vorgebeugt um mehr Katze aufs Bild zu bekommen, wäre ein vielleicht nicht schlechtes Katzenporträt entstanden. Aber eben nur ein Katzenporträt.
Indem ich die Füße jedoch im Bild gelassen habe, entsteht ein gänzlich anderes Bild mit einer anderen Geschichte. Dem Betrachter verraten die hochgelegten Füße, dass es sich um ein gemütliches Beisammensein handelt, dem mindestens drei Personen beiwohnen, in deren Mitte eine Katze auf ihrem eigenen Stuhl thront.
Zugleich weisen die Beinpaare links und in der Mitte deutlich auf die Katze, während die Linien der Füße sowie die Linie der Stuhllehne eine Art Rahmen um das Hauptmotiv bilden. Auf diese Weise wird die Katze also zusätzlich betont und kommt genügend zur Geltung, während der Betrachter auch etwas über ihr Umfeld und die Situation erfährt.
Als letztes Beispielbild noch ein spontanes Porträt. Lichtsituation war immer noch das durch die Fenster fallende Licht der tiefstehenden Sonne. Zugleich wurde genügend Licht von der Wand links reflektiert um die rechte Gesichtshälfte etwas schwächer zu beleuchten, wodurch eine Konturen betonende, aber nicht zu harte Beleuchtung entstand.
Ich habe hier bewusst die Regel gebrochen, dass eine Person auf Porträts die Augen immer offen haben soll und den Auslöser gedrückt als die Person geblinzelt hat. Die Augen mögen gerne als „Tor zur Seele eines Menschen“ beschrieben werden. Das mag sein- Aber alles rund um die Augen und das restliche Gesicht, erzählen mehr über einen Menschen als seine Augen allein. 😉
Über den nicht ganz vorteilhaften Hintergrund kann man streiten- Aber er lässt sich halt bei spontanen Alltagsbildern oft nicht ändern.
Zum Abschluss hier noch ein paar Tips für dich, wenn du dich für diese Art der Fotografie interessierst:
Von der technischen Seite her, bist du mit lichtstarken Objektiven und Kameras mit größeren Sensoren die höhere ISO-Werte vertragen, am besten beraten. Einerseits ist das Licht eben oft knapp, andererseits hast du damit mehr Spielraum beim Freistellen.
Alle Bilder oben sind mit meinem heißgeliebten 50mm f1,4 Nikkor Objektiv und der Nikon D700 mit KB-Sensor entstanden.
Gerade bei Licht-Schatten Bildern mit hohem Kontrastumfang musst du darauf achten, dass deine Bilder in den Lichtern nicht zu sehr überstrahlen oder in den Schatten absaufen. Kontrolliere also gewissenhaft am Display die Belichtung und korrigiere sie gegebenenfalls.
Farbe oder Schwarzweiß? – Prinzipiell eine gute Frage die sich nicht auf diese Art der Fotografie beschränkt. Ich habe mich bei obigen Bildern für die SW-Version entschieden, da mir bei allen Bildern die Formen und Kontraste als wesentlicher erschienen sind als die Farben, bzw. weil bei einigen Bildern manche Farben im Bild auch ablenkend oder störend gewesen wären.
Generell aber, sind es bei Available Light Aufnahmen schon sehr oft auch die Farben die interessant sind.
Und zum Schluss wieder – Übung macht den Meister! Schau dir einerseits deine Bilder immer genau an. Analysiere, wie sie aufgebaut sind, wie das Licht war. Schau wie deine Kameraeinstellungen waren. Kurz- mach dir klar, warum deine Bilder so aussehen wie sie aussehen.
Mach das aber nicht nur bei deinen Bildern, sondern auch bei anderen Bildern die dich beeindrucken. Das gilt für alle Arten der Fotografie.
Des weiteren versuche, nicht nur Bilder zu analysieren, sondern auch deine Umgebung. Probier rum!
Du kannst dir jetzt sofort deine Kamera nehmen und dich in deinem Zimmer umsehen. Wie ist das Licht? Woher kommt es? Wo sind Schatten? Was ist wie beleuchtet? Was wäre ein interessantes Motiv, rein vom Licht her? Wie sind die Formen des Motivs und wie die der Umgebung? Gibt es Linien, Kanten, Begrenzungen? Wie sind die Farben? Wie viel Schärfentiefe willst du und wie viel oder wie wenig ist überhaupt machbar? Wie kannst du ein Motiv außerdem noch fotografieren?
Und jetzt viel Spaß beim ausprobieren!