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Max, das wehe Reh

Aufgrund des warmen und stürmischen Frühlingswetters an diesem Wochenende, hatte ich meinen ursprünglichen Plan Skifahren zu gehen aufgeschoben und beschlossen, statt dessen wieder mal auf die Jagd zu gehen. Mit der Kamera, versteht sich.
Abgesehen hatte ich es auf einen großen Verband Rehe, den ich bereits im Vorjahr mehrfach, in einem bestimmten Bereich der Agrarlandschaft zwischen Bad Vöslau und Baden, beobachtet hatte.


Die offene Landschaftsform, welche den Tieren im Winter außer einigen schmalen Streifen mit Baumbestand wenig Deckung bietet, ist für den Fotografen ein zweischneidiges Schwert. Einerseits sieht man die Tiere schon von weitem, kann sie bei falschem Wind entsprechend umgehen. Andererseits ist man selbst ebenfalls ohne Deckung und wird von den scheuen Tieren schnell bemerkt. Es bleibt einem also nichts anderes übrig, als sich so weit als eben möglich an die Tiere heran zu pirschen und sich dann gut getarnt ein nicht allzu hartes Plätzchen zu suchen.

Foto: Sabine Herrmann

So sitzt man dann meist längere Zeit möglichst reglos herum, hofft dass die Tiere näher kommen, der Wind nicht dreht und man nicht niesen muss.


Allerdings war mir das Glück nicht wirklich hold und die Rehe blieben auf „Gruppenbilddistanz“. Bei obigem Bild blicken die Tiere in meine Richtung weil ich mich gerade durch eine unachtsame Bewegung verraten hatte. Eine Sekunde später zogen sie von dannen.


An diesem ersten Tag ging danach gar nichts mehr. Bei einem zweiten Ansitz  „auf gut Glück“ am Rande eines schmalen Waldstreifens, hatte ich Pech. Irgendetwas hatte den Verband beunruhigt und er floh genau in meine Richtung. Ich freute mich schon auf ein paar Nahaufnahmen von laufenden Rehen, aber die Tiere drehten ein paar Sekunden zu früh ins Unterholz ab womit es wieder bei Übersichtsaufnahmen blieb.


Ein einzelnes Tier blieb noch einmal kurz stehen und witterte sprungbereit in meine Richtung. Ich war gut getarnt und der Wind stand günstig, aber das klicken der Kamera ließ mein Model dann doch das Weite suchen. Und das war es dann auch schon für diesen Tag.


Heute versuchte ich mein Glück ein zweites Mal. Ich kam diesmal von einer anderen Seite in das betreffende Gebiet. Nach etwa fünf Minuten Fußmarsch erblickte ich ein einzelnes Reh, welches kaum 30 Meter neben einem Feldweg im Acker stand. An sich nicht außergewöhnlich. Bemerkenswert jedoch war, dass auf dem Feldweg auf Höhe des Rehes ein Paar samt Hund unterwegs war, und der Hund fleißig einem geworfenen Stock nachjagte, teilweise auch in den Acker hinein in Richtung des Rehes. Ein normales, gesundes Tier hätte da schon lange die Flucht ergriffen, aber dieses äste einfach weiter und warf nur ab und an einen Blick in Richtung der Fußgänger.


Ein Stück weiter hatte ich die Spaziergänger eingeholt. Die Frau meinte, sie hätten das Reh hier schon öfter gesehen. Es stünde immer alleine da und würde nicht weglaufen.
Ich erinnerte mich daran, dass mir bereits am Vortag ein einzelnes Tier in diesem Bereich aufgefallen war. Allerdings hatte ich es nur aus großer Entfernung gesehen und für einen alten, eigenbrötlerischen Bock gehalten.
Ich beschloss dann, mich dem Tier langsam zu nähern und rechnete fest damit, es bald fliehen zu sehen.

Dies war allerdings nicht der Fall. Selbst nachdem ich keine 10 Meter mehr von dem Tier, ein junger Bock übrigens, entfernt war, fraß es ohne Anzeichen von Beunruhigung weiter.


Ich überlegt mir, was der Grund dafür sein könnte, kam aber auf keine eindeutige Erklärung. Ich bin natürlich kein Tierarzt, aber äußerlich macht der Bock keinen schlechten Eindruck. Er ist nicht sonderlich mager, das Fell sieht normal aus. Was ich für möglich halte ist, dass er lahmt. Allerdings ging er immer nur einen oder zwei Schritte, und ich habe bislang kaum auf den genauen Bewegungsablauf eines Rehes geachtet, womit mir also eine Vergleichsmöglichkeit fehlt. Des weiteren wehte der Wind so stark, dass sich sowohl der Bock als aus ich beständig gegen ihn stemmen mussten und ab und an entsprechend schwankten.


Ich ging noch näher an ihn heran. Bei einer Entfernung von zwei Meter hörte er mit dem fressen auf, hob den Kopf und machte schließlich sogar von sich aus einen Schritt in meine Richtung. So blieben wir beide stehen. Ich hätte die Hand ausstrecken und das Tier berühren können, habe es aber sein gelassen.
Wurde der Bock möglicherweise von Menschen aufgezogen, wurde wieder ausgewildert und hat deshalb seine Scheu verloren?


Ich mache noch eine letzte Runde um das Tier und achte darauf, ob es irgendwelche Wunden hat. Am linken Hinterlauf (man sieht die Stelle auch auf den Ganzkörperaufnahmen) fällt mir etwas auf. Ich kann allerdings nicht sagen ob es Schmutz oder etwas anderes ist.

Dann mache ich mich auf den Heimweg. Zurück am Feldweg treffe ich auf ein weiteres spazieren gehendes Paar, welches meine Fotosession mit dem Reh beobachtet hat. Die Frau will wissen, warum das Reh denn nicht weglaufe. Ich erzähle ihr meine oben genannten Vermutungen und sie zeigt sich sehr beunruhigt und meint, ob man das nicht irgendwem melden solle.
Gute Frage, die ich mir auch schon gestellt habe. Allerdings habe ich in der Gegend schon öfter ein Fahrzeug der ÖBF seine Runden drehen sehen. Und da das Tier laut Angabe der anderen Spaziergänger schon länger dort steht, wissen die wahrscheinlich sowieso Bescheid.
Mal schauen wie es weitergeht. Ich beschließe, den Bock nun auf den Namen Max zu taufen und wenn ich Zeit habe wieder mal in seiner Gegend vorbei zu schauen.

Mit niederwildlichen Grüssen, Manfred Herrmann