An manchen trüben Regentagen, meist sehr früh am Morgen, zieht es mich auf den Friedhof, um an jene Menschen zu denken, die nicht mehr da sind und die ich vermisse.
Natürlich muss man dazu nicht zwangsläufig auf den Friedhof gehen, aber es ist nun mal der Ort, wo ihre sterblichen Überreste liegen, und -wohl noch wichtiger- es ist eben ein Ort der Erinnerung.
Friedhöfe sind Gedenkstätten, man pflegt auf ihnen das Andenken der Toten.
Allein- diese Frage drängt sich mir immer wieder auf- warum sind diese unsere Gedenkstätten so mehr oder weniger kalt und steril? Die Gräber liegen da streng und ordentlich in Reih und Glied nebeneinander. Bei den meisten steht am Kopfende ein Grabstein, darauf der Name der Begrabenen, davor oft eine glänzende Grabplatte, rundherum Kies oder Erde. Einzig ein wenig Blumenschmuck und rote Kerzen bringen etwas Leben und Trost.

Warum? Von mir aus mag man den Stein als Symbol für Beständigkeit und Dauerhaftigkeit sehen. Man kann auch einwenden, dass es den Toten ohnehin egal ist, wo und wie sie begraben sind. Ich glaube das auch, aber ich bin zugleich der Meinung, dass Friedhöfe ein Ort für die Lebenden sind. Diesbezüglich mag ich zum Beispiel meine Trauer um einen geliebten Menschen, nicht mit kaltem, blank polierten Marmor assoziieren. Und der Gedanke an solch ein Grab als mein eigenes, ist nicht dazu angetan, mir zu Lebzeiten die Furcht vor dem Tod zu mildern.

Was ich hingegen sehr schöne finde, sind alte Gräber, so wie dieses hier, die bereits wieder Teil der Natur werden. Zumal hier Grabstein und Fassung Natursteine sind.
Grün gilt ja als Farbe der Hoffnung, was spricht da gegen Schlingpflanzen und und Flechten und Moos auf rauem Stein?
Das geht schon eher in die Richtung die mir zusagt. Pflanzen die ganz von selber wachsen, ohne Blumentopf, ohne gegossen oder ausgetauscht werden zu                                                                                                                      müssen.

„Naturbestattung“- wäre das der richtige Begriff dafür?
Ich fände es ja schön, wenn man mich anstatt in ein klassisches Grab einfach in die Erde legen, und über mir einen Baum pflanzen würde. Oder man kann mich auch einäschern und meine Asche dann um den Baum herum verstreuen. Meine Angehörigen müssten dann später nicht vor einem kalten Stein mit meinem Namen darauf stehen. Nach ein paar Jahren wäre ich vielleicht schon groß genug um ihnen ein bisschen Schatten zu spenden. Oder sie vor Regen zu beschützen. Sie könnten sich an meinen Stamm lehnen. Warme Rinde anstatt kaltem Stein fühlen. Harzduft riechen. Meinen Namen in die Rinde ritzen. Ich wäre Wohnstätte für viele Tiere und überhaupt gut fürs Klima. Gibt eh zu wenig Wald. Ein Baum zu werden würde mir zwar nicht die Angst vor dem Tod nehmen, aber der Gedanke ist wesentlich tröstlicher als der an herkömmliche kalte Gräber.
Überhaupt, wenn das mehr Leute machen würden, dann würden ganze Wälder statt Friedhöfe wachsen.  Und jeder Baum wäre ein Zeichen dafür, dass in dem Maße wie er wächst, die Trauer kleiner wird.

Manfred Herrmann